Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir sehen mehrere gewichtige Gründe, die gegen die Aufnahme der Potentialflächen (7 ,7 a-b-c) aus dem Entwurf „Entwicklungspotentiale Wohnbauflächen“ auf Grundlage des Vorschlags des Zweckverband Raum Kassel (auch genannt „Großenritte-Nord“) in den Regionalplan Nordosthessen sprechen und die wir in unserer Stellungnahme darstellen. Teilweise nehmen wir Bezug auf die Stellungnahme der Stadt Baunatal, am 18.11.2024 in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Baunatal beschlossen.
1. Bevölkerungsprognose: Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung deuten auf einen Rückgang von etwa 700 Einwohnern bis 2035 hin. Alternative Prognose: Das der Stadtverordnetenversammlung vorgestellte Wohnraumentwicklungskonzept der UNI-Kassel geht bis 2045 von maximal 400 zusätzlichen Einwohnern aus. Dies steht im Widerspruch zu der Notwendigkeit, ein Neubaugebiet mit einer Fläche von 23 ha, jetzt 30 ha, für ca. 2000 Menschen zu schaffen. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Krise bei der Volkswagen AG mit Stellenabbau von zurzeit 1.800 Menschen und Gehaltskürzungen.
2. Fokus auf Innenentwicklung: Laut der Nachhaltigkeitsstrategie sollte der planerische Fokus auf der Innenentwicklung liegen. Eine Flächeninanspruchnahme von 19 ha in den kommenden 20 Jahren sollte nicht überschritten werden, was die Notwendigkeit eines neuen Neubaugebiets in Frage stellt.
3. Ökologische und klimatische Bedenken: Die Flächen (7 ,7 a-b-c) sind als besonders schützenswert eingestuft, da sie Böden mit hoher Grundwasser- und Klimaschutzfunktion aufweisen. Eine Entwicklung dieser Flächen könnte erhebliche Beeinträchtigungen der Umweltbelange sowie der klimatischen Entwicklung in den anderen Baunataler Stadtteilen zur Folge haben.
Zur Kaltluftzufuhr: Aufgrund der bereits bebauten Gewerbeflächen mit wenig Vegetationsanteil und fehlender Belüftung ist das Innenstadtklima von Baunatal schon heute einer starken Überwärmung ausgesetzt. Sollte jetzt noch eine Bebauung auf besagter Potentialfläche stattfinden, ist die Frischluftschneise blockiert und der Stadt Baunatal droht zunehmender Hitzestress. Diese Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete sind der Ventilator für Großenritte und Baunatal.
Zum Grundwasser: Die Fläche befindet sich innerhalb der Schutzzone Ill B. des amtlich festgesetzten Trinkwasserschutzgebietes für die Trinkwassergewinnungsanlagen „Tiefbrunnen I, II und IV Großenritte” der Stadt Baunatal, sowie innerhalb der quantitativen Schutzzone B 2 – des mit Verordnung vom 02.10.2006 (StAnz. 46/2006, S. 2634) festgesetzten Heilquellenschutzgebietes für den „Tiefbrunnen Wilhelmshöhe 3″ der Thermalsolequelle Kassel-Wilhelmshöhe GmbH.
Mit steigendem Anteil versiegelter Fläche sinkt ebenfalls die Grundwasserhöhe. Dadurch werden Trinkwassermangel und Dürreschäden begünstigt. Auch das Risiko für Hochwasser steigt, denn das Wasser versickert nicht gleichmäßig im Boden. Ergo führen Änderungen in der Flächennutzung führen zwangsläufig auch zu Änderungen im Wasserhaushalt.
Zu Starkregen/Hochwasser: Potentialfläche 7, 7a und b liegen im erhöhten Rsikio-Areal, Potentialfläche 7c sogar im hohen Risiko-Bereich für Starkregen. Die links der Leisel befindliche Potentialfläche 8 wurde wegen Hochwasserrisikos bereits verworfen.
4. Verkehrsbelastung: Die der Stadtverordnetenversammlung vorgestellte Modellberechnung zeigt, dass die Verkehrsbelastung durch das geplante Neubaugebiet um 50% ansteigen würde, was zu einer signifikanten Erhöhung der Verkehrsbelastung in Großenritte und darüber hinaus führen würde.
5. Bodenschutz: Die Flächen haben den höchsten Bodenfunktionswert (Wert 5). Mit Bodenbonitäten von durchweg 78 bis 80 Bodenpunkten zählt die Ackerfläche damit zu den besten Ackerbaustandorten in Nordhessen.
6. Finanzielle Aspekte: Eine Einwohnerzahl von über 30.000 würde die Stadt Baunatal dazu verpflichten, die Kosten für den Bau und die Unterhaltung von Kreis- und Landesstraßen nach § 41 HStrG (Hessisches Straßengesetz) zu übernehmen (nicht mehr durch Hessen Mobil). Auch die Kosten für fehlende Infrastruktur für Menschen und Dinge käme hinzu (auch Kitas, Schulen, Kläranlage, Regenrückhaltebecken, etc.) und würde die sowieso angespannte Haushaltslage der Stadt zusätzlich belasten, da die angestrebten zusätzlichen Steuereinnahmen in keinem Verhältnis stehen werden. Bisher liegt den Stadtverordneten keine Gegenüberstellung von Kosten und Erträgen vor.
7. Fehlendes Beteiligungsverfahren für Bürger:innen: In einer Lenkungsgruppe Siedlungsentwicklung mit Beteiligung aller Fraktionen aus der Stadtverordnetenversammlung wurden die Flächen in Großenritte-Nord zwar andiskutiert, allerdings hat diese Gruppe länger als ein Jahr bereits nicht mehr getagt. Eine Beteiligung der Bürger:innen in Großenritte und darüber hinaus hat bis auf eine allgemeine Infoveranstaltung zum Thema Siedlungsentwicklung in Baunatal bisher nicht stattgefunden. Die große Resonanz, die die Bürger-Initiative Großenritte-Nord und die Interessengemeinschaft „Gemeinsam für Baunatal“, erfahren, welche sich beide gegen eine Beplanung und Bebauung der genannten Flächen einsetzen, zeigt ein deutliches Bild.
8. Widerspruch zu den Zielen des Regionalplans Nordosthessen:
- Widerspruch zu 3.1.1 Ziel 2: a) Großenritte-Nord liegt nicht im inneren Entwicklungsbereich, sondern am Rand auf wertvollen Ackerflächen. Die Stadt Baunatal hat bisher zur Nachverdichtung kaum sichtbaren Anstrengungen übernommen. Im Gegenteil: bereits für die Bebauung mit Mehrfamilienwohnungsbau freigegebene Flächen wurden seit teilweise Jahren noch nicht bebaut. Der Vortrag und das Gutachten von Prof. Altrock von der Universität Kassel, welches für die Stadt Baunatal erstellt wurde, bietet gute Ansatzpunkte und Ideen, mit denen die ca. 400 neuen Bürger:innen bis 2045 gut untergebracht werden können. b) Die Obergrenze für die von den Gemeinden für Wohnsiedlungszwecke in Anspruch zu nehmende Fläche wird durch die Stellungnahme der Stadt Baunatal überschritten.
- 3.1.1 Grundsatz 3: „Der Schwerpunkt der Siedlungsplanung soll nicht die Neuausweisung und Entwicklung von zusätzlichen Wohnsiedlungsflächen und Infrastrukturen, sondern die Bestandspflege und -verbesserung sein.“ – Die Flächen 7, 7a-c widersprechen dem.
- 4.1.1 Grundsatz 1 wird widersprochen
- 4.1.4 Ziel 1 wird widersprochen
- 4.1.4 Ziel 2 wird widersprochen
- 4.1.4 Grundsatz 1 wird widersprochen
- 4.1.6 Ziel 1 wird widersprochen
- 4.1.6 Grundsatz 1 wird widersprochen
- 4.1.6 Grundsatz 3 wird widersprochen
- 4.1.7 Grundsatz 3 wird widersprochen
- 4.2.2 Ziel 1 wird widersprochen
- 4.2.2 Grundsatz 1 wird widersprochen
- Und weitere
9. Fehlende Voraussetzungen für die Umsetzung jeglicher Bebauungstätigkeiten: Uns, sowie der Stadt Baunatal, ist bekannt, dass die landwirtschaftlichen Betriebe, denen die Flächen aktuell gehören und bewirtschaften, keine Absicht haben, die Flächen zu verkaufen. Sie tragen wesentlich zur Ernährungssicherung in der Region bei. Vor dem Hintergrund der Ernährungsweltlage (z.B. Krieg in der „Kornkammer Ukraine“ und Klimaveränderungen hin zu Dürre/Überschwemmungen) sollten diese Potentiale nicht angetastet werden.
10. Vergleichsrahmen: Nur Fulda und Kassel als Großstädten veranschlagen mehr zu beplanende Siedlungs- und Gewerbefläche. Der angemeldete Raumbedarf der Stadt Baunatal steht in keinem Verhältnis zur Größe und Bedeutung der Stadt.
11. Erfolgsprognose schlecht: Ein vergleichbares Baugebiet in Vellmar geht v.a. durch die hohen Kosten, die verursacht wurden und die wenigen gebauten Häuser (November 2024: Stückzahl 1) durch die Presse. Ein anderer Verlauf wäre in Baunatal nicht zu erwarten.
Baunatal, 07.12.2024
Damaris Müller (Sprecherin) und Marcel Suttner (Sprecher) für den Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen Baunatal
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