Geld

7. März 2023 – Equal Pay Day

Eine frauenpolitische Einordnung

Für den 7. März 2023 – direkt einen Tag vor dem Internationalen Frauentag – ist mit dem sogenannten „equal pay day“ für dieses Jahr der Tag der Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen berechnet worden. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung liegt bundesweit bei 18 Prozent, orientiert an der statistischen Erfassung der Zahlen aus dem Jahr 2021. Dies bedeutet, dass rein statistisch gesehen erst ab diesem Tag Frauen für ihre Arbeit den selben Lohn bekämen wie eben männliche Kollegen oder anders gesagt, „der Internationale Frauentag am 8. März 2023 ist der erste Tag im Jahr, an dem Männer und Frauen dasselbe verdienen. Damit bekommt dieser Tag noch mehr Symbolkraft“, sagt Vera Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK.

Haben Frauen das verdient??

Ein Blick in den Hessischen Lohnatlas, den Sozialminister Kai Klose, Grüne, im Dezember 2022 vorgestellt hat, verrät uns, dass in Hessen die Lohnlücke in 2021 bei 9 Prozent liegt. Interessant ist, dass sich die Lohnlücke der Einwohnerinnen und Einwohner in Hessen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung seit Beginn der Pandemie schneller verringert hat als vorher. In 2019 betrug die hessische Lohnlücke noch 11,2 Prozent, dann in 2020 verkleinert sich diese auf 9,6 Prozent und nun für 2021 bei 9,0 Prozent. Damit hat sich die Entwicklungsdynamik der Annäherung an Entgeltgleichheit zwar im Zweiten Pandemiejahr 2021 etwas verkleinert, doch fällt die Lohnlücke im Vergleich zum Bundesdurchschnitt noch verhältnismäßig gering aus und auch im ersten Hessischen Lohnatlas von 2012 betrug die Quote noch 15,9%.

Woran liegt das, werden Frauen qua Geschlecht und Geschlechterrolle schlechter bezahlt als Männer? So eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten, aber sie steht für mich im Raum. 

Viele Faktoren sind betrachtet und berücksichtigt worden, so z.B. unterschiedlich hohe Lohnlücken bei unterschiedlichen Qualifikationsniveaus. Im Jahr 2021 sind die Entgeltlücken auf dem Niveau ohne Berufsabschluss mit 7,1 Prozent am geringsten. Bei sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten mit Berufsabschlüssen beträgt die Lücke zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger im gleichen Jahr 10,1 Prozent. Deutlich größer ist nach wie vor die Lohnlücke bei Beschäftigen mit akademischen Abschlüssen. Dort beträgt die Entgeltlücke noch immer 24,9 Prozent. Dies bedeutet, dass akademisch qualifizierte Frauen im Schnitt ein Viertel weniger verdienen als Männer mit vergleichbarem Abschluss! 

„Hohe Entgelte bei einer zunehmenden Zahl von Berufseinsteigerinnen, aber auch verstärkte  Kurzarbeit während der Pandemie, von welcher Männer in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit stärker betroffen sind als Frauen und auch höhere Entgelte (in der Leiharbeit) in den Gesundheits- und Pflegeberufen gelten als wesentliche Gründe für den stärkeren Rückgang der Lohnlücke in Hessen.“ (Hessischer Lohnatlas 2022). Hier also ist ein weiterer Faktor zu berücksichtigen, die Lohnerhöhungen in den traditionellen Frauenberufen (Soziale Berufe in Pflege, Gesundheit und personenbezogene Dienstleistungen), die für Frauen wirklich positiv zu werten sind.

Übrigens können sich in einer gerade veröffentlichten Studie der Internationalen Hochschule in Erfurt nur 21,8 Prozent der jungen Männer in Deutschland vorstellen, im sozialen Bereich zu arbeiten. Als Gründe für die Unattraktivität der sozialen Berufe werden Verdienst, fehlende Anerkennung und die Arbeitsbedingungen genannt (HNA, 03.03.2023)

Da gibt es in anderen Segmenten des Arbeitsmarktes noch wesentlich größere Lücken. Während bei den Einwohnerinnen und Einwohnern von Hessen mit sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung, die in einem Produktions- oder MINT-Beruf tätig sind, Entgeltgleichheit nahezu erreicht ist, stellt sich die Lage in den kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen anders dar. Dort beträgt die Lohnlücke immer noch 24,5 Prozent, vor allen Dingen bei den Stellenprofilen „Spezialist*in“ und „Expert*in“, wohingegen eine „Fachkraft“ deutlich gleichwertiger bezahlt wird. 

An dieser Stelle folgt ein kleiner „Quoten“-Exkurs: Betrachten wir die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen! „Außerhalb des Finanzsektors sind die Vorstände der 200 umsatzstärkste Unternehmen in Deutschland nach Zahlen des Deutschen Wirtschaftsforschungsinstitutes DIW nur zu rund 16 Prozent mit Frauen besetzt… Börsenorientierte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten müssen seit August 2022 bei Neubesetzungen im Vorstand mindestens eine Frau berufen, wenn das Führungsgremium mehr als drei Mitglieder hat.“ (HNA, 03.03.2023) Und weiter sieht Eva Kienle, Vorstandsmitglied des Saatgutzüchters KWS in der HNA „einen Spagat zwischen Familie und Karriere: Kandidaten für die Top-Positionen werden meist unter den 35- bis 40-jährigen ausgewählt.“ Oftmals also in der Zeit der Familienpause –  gerade die der Spätgebärenden mit akademischen Hintergrund, die sich dann zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen. Spitzenjobs werden nicht in Teilzeit gedacht!

Im Hessischen Lohnatlas ist außerdem ausgeführt, dass die Lohnlücken nicht nur von den ausgeübten Berufen abhängen, sondern auch von den Strukturen der Betriebe. Es bestehen Unterschiede in den einzelnen Berufssektoren, abhängig von den ansässigen Betrieben vor Ort, im Vergleich der hessischen Kreise und kreisfreien Städte. So verkleinern sich Lohnlücken in urbanen Bereichen schneller als in ländlich strukturierten Gebieten. Dies entspricht auch den Erkenntnissen der einschlägigen Forschung, wonach insbesondere Großbetriebe und Universitäten in Großstädten zu einer schnelleren Arbeitsmarktintegration qualifizierter Frauen und deren Aufstiegen führen als kleinteilige Betriebsstrukturen in ländlichen Räumen. Dies bedeutet in Zahlen, dass die Lohnlücke im Kreis Hersfeld-Rotenburg mit 18,4 Prozent am höchsten in Hessen ist, der Kreis Kassel liegt bei 15,5 Prozent, die Stadt Kassel im Vergleich dazu „nur“ bei 5,9 Prozent, die Stadt Frankfurt bei 4,9 Prozent und dies soll natürlich nicht verschwiegen werden: die Stadt Offenbach liegt erstaunlicherweise erstmals bei -3,3 Prozent. Zum Vergleich lag die Lohnlücke im Kreis Hersfeld-Rotenburg bei 26,1 Prozent in 2012, der Kreis Kassel lag damals bei 22,3 Prozent, die Stadt Kassel bei 13,2 Prozent und in der Stadt Offenbach waren es in 2012 auch schon „nur“ 4,9 Prozent. 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass eben gerade viele Frauen – und dies nicht nur „im gebärfähigen Alter“  – nach wie vor in unterbezahlten, in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen, in Teilzeit, oftmals mit befristeten Arbeitsverträgen und/oder auf Minijob-Basis arbeiten. Diese werden von diesen Statistiken im Prinzip gar nicht erfasst. Die Wahl für Frauen einen solchen Job anzunehmen, liegt meistens nicht an der fehlenden Qualifikation, sondern an der Flexibilität des Arbeitsmarktes sich auf die besonderen Rahmenbedingungen von „Frauenarbeit“ einzustellen und damit einhegend an unzureichenden Kinderbetreuungsangeboten (in Krippe, U3 Betreuung, Kita, Horte, verläßliche Grundschule…). 

Und wir als Gesamtgesellschaft müssen dafür sorgen, dass diese Angebote für die Frauen und die Familien bezahlbar sind! Denn sonst geht die Rechnung nicht auf und die betroffenen Frauen bleiben im Zweifelsfall dann doch zu Hause, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten, da die Männer (außerhalb der Elternzeit) zumeist die besseren Arbeitsbedingungen und vor allem das höhere Arbeitsentgelt haben, um eine Familie davon zu ernähren. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Baunatal hat übrigens mit den Stimmen der SPD, CDU und FDP- Vertreter*innen in ihrer Sitzung am 30.01.2023 gegen die Stimmen der Grünen eine Erhöhung der Gebühren für die Nachmittagsbetreuung vorgenommen und wird zukünftig auch im U3 Bereich Gebühren einführen… So sieht Frauenpolitik im Jahr 2023 in Baunatal aus!

Ein weiterer Aspekt: Schlechte Löhne von Frauen haben auch unübersehbare Folgen für den späteren Rentenanspruch! 

Vera Bentele vom Sozialverband VdK fasst folgende Forderungen des VdK zum „equal pay day“ so zusammen:  „Frauen haben ein Recht auf gleiche Bezahlung. Der VdK fordert deshalb eine Nachbesserung des Entgelttransparentgesetzes, das bisher nur für Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten gilt. Dieses muss auf alle Unternehmen ausgeweitet werden. Darüberhinaus muss der Mindestlohn auf wenigstens 13€ angehoben werden. Nur so ist eine Rente oberhalb der Grundsicherung garantiert…“ 

Bravo Vera! Ich sehe das genauso!

Irle Jürgens, Grüne, OV Baunatal, im März 2023

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