Argumente für (gender-) gerechte Sprache

Nach der Behandlung des Themas in unserer lokalen Zeitung, der HNA, hat Irle Jürgens von den Baunataler Grünen Ihre Meinung als Leserinnenbrief verschriftlicht. Den Inhalt unterstützen wir.

“Gerne nehmen wir Ihre Bemühungen wahr, im Sinne einer Pro- und Kontra-Debatte nicht nur einer 36-jährigen Professorin für Germanistik als Fürsprecherin einer geschlechtergerechten Sprache, sondern auch einem 73-jährigen Kunstwissenschaftler als Gendergegner, die große Bühne zu bereiten. Alleine an unserem sprachlichen Ausdruck des obigen Satzes, der Fokussierung auf Alter und Beruf wird offensichtlich, was Sprache in vielen Metaebenen transportiert: Gefühle, Meinungen, Suggestionen, Manipulationen, Machtfaktoren usw. .

Es ist in unseren Augen eine populistische Debatte, insbesondere, wenn dann auch noch von Genderzwängen und Genderverboten gesprochen wird. In einem deutschen Großunternehmen wurde in einer Mail des Vorstandes (7 Männer und 2 Frauen, also eine ähnliche Quote wie in der neuen Hessischen Landesregierung), den Mitarbeiter*innen vor ca. anderthalb Jahren schon in einer kurzen Mail mitgeteilt, dass von Unternehmensseite auf weibliche Formen weiterhin verzichtet wird, da Frauen schon immer mitgemeint wären. Also wozu da noch über Genderverbote diskutieren?!

Wenn dann ein männlicher Kunstwissenschaftler die „Gendersprache von links als autoritäre und totalitäre Bewegung“ bezeichnet, zeigt dies nur zu deutlich, wie das Wort „gendern“ sehr negativ besetzt und die Bewegung diffamiert wird. Gleiches trifft auf die Passage im Interview zu, in welcher die Bezeichnung „Stabsstelle Gleichstellung“ als „ein unangenehm militärischer Ausdruck“ belegt wird – ungeachtet der Tatsache, dass es weitere Stabsstellen an der Uni Kassel, z.B. für Recht usw. gibt. So lenkt Mann von Inhalten ab, und nicht durch die Verlängerung und das Mit-Verwenden von weiblichen Formen in schriftlichen Texten. „Partizipialformen wie Studierende und Gasthörende wurden noch vor wenigen Jahren von Deutschlehrern und Lektoren als Stilmängel angekreidet, weil sie hölzern und bürokratisch klingen.“ Ein entlarvender Satz, der neben (männlichen) Sprachwächtern auch gleich eine Erklärung, oder sollen wir sagen Rechtfertigung oder Manifestierung, von männlichen Machtstrukturen durch Herrn Baumann mitliefert. Sprache bedeutet Macht, ebenso wie Bildung und Sozialisation. Uns ist klar, dass wir mit unseren Aussagen Widerspruch provozieren, ein hohes Gut in einer freien, nicht gleichgeschalteten Demokratie, die z.Zt. ständig Anfeindungen von rechts ausgesetzt ist. Erreichte Ziele, wie z.B. die Anerkennung der Vielfalt von Menschen, die sogenannte lgbtq+ Bewegung, könnten und sollten auch in unsere Sprache miteinfließen, denn wir leben tagtäglich in einer Welt, die sich durch innere und äußere Einflüsse stark verändert (Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Krieg vor unserer Haustür und nicht nur dadurch ausgelöste Vertreibung, Klimakrise…). Die Menschheit, die Gesellschaft kommt nicht umhin sich zu verändern und anzupassen. Dies geht für viele Menschen beängstigend schnell. In unserer überalternden Gesellschaft versucht fast jede*r erstmal sein oder ihr Eigentum zu bewahren, die eigene Familie und die eigenen vier Wände. Fast jede*r hat Angst, dass ihm oder ihr etwas weggenommen wird. Das Festhalten am Herkömmlichen, wie z.B. auch an (deutscher) Sprache, gibt vermeintliche Sicherheit. Aber unsere Sprache wächst und verändert sich – zum Glück. Junge Menschen passen sich einfacher und natürlicher an ihre Umgebung an, sie leben mit Anglizismen und können in einer globalisierten Welt kommunizieren. Die deutsche Sprache ist ein wichtiges Gut und wird nicht durch ein paar Veränderungen im Hinblick auf geschlechtergerechte Sprache leiden. Hier leiden nur die Wert-konservativ Denkenden und die Rechts-Populist*innen á la AFD.”

Verwandte Artikel